Braunschweig ist eine Autostadt

 

… in der Fahrradfahrer – wenn überhaupt – nur geduldet sind. Das zeigt sich bereits bei einer Vielzahl von Fahrradwegen, die in erster Linie für Autofahrer, nicht aber für Radfahrer gebaut sind. Denn das, was da mit Fahrradwegschildern gekennzeichnet ist, muss von Radfahrern benutzt werden - vermutlich, um die Radfahrer von der für Autos reservierten Straße fernzuhalten.

Nach Auskunft der Polizei, haben sich in Braunschweig die Stadt und die Polizei die Überwachung und Kontrolle des Verkehrs geteilt. Die Polizei ist für fließenden Verkehr zuständig, die Stadt für stehenden (z.B. parkende Autos). Weiterhin teilte mir die Polizei auf Nachfrage mit, dass nach dieser Definition die Polizei zuständig sei, falls z.B. ein Auto auf mit Pfeilen markierten Fahrstreifen im Kreuzungsbereich parkt, weil damit fließender Verkehr behindert wird. Parkt jedoch ein Auto auf dem Radweg wird damit nur Fahrradverkehr gestört. Das fällt in den Zuständigkeitsbereich der Stadt und die Polizei wird auch auf Aufforderung diesem Vergehen nicht nachkommen, weil es sich  - per Definition - nicht um fließenden Verkehr handelt. Interessanterweise führt jedoch die Polizei fliegende Kontrollen an auf dem Radweg fahrenden Fahrrädern durch, um die Verkehrssicherheit der Fahrzeuge sicherzustellen. Denn in diesem Fall sind Radfahrer fließender Verkehr, der in den Zuständigkeitsbereich der Polizei fällt. Kontrolliert wird – gewöhnlich am helllichten Tag in erster Linie die Funktion des Lichts. Die Bremsen haben da weniger Bedeutung. Während Autofahrer bei entsprechenden Kontrollen bei auffallenden Mängeln im allgemeinen eine Aufforderung erhalten, ihr (dann repariertes) Fahrzeug in einer vorgegeben Frist vorzuführen, werden Radfahrer gleich mit einem Bußgeld zur Kasse gebeten.

 

Die einzige Parallele, die mir dazu einfällt, ist der totalitäre Überwachungsstaat in George Orwells Roman 1984, in dem den Bürgern die Fähigkeit des Zwiedenkens bzw. Doppeldenk (Doublethink) abverlangt wird. Man muss etwas glauben bzw. anerkennen, während man gleichzeitig im Hinterkopf haben muss, dass es ja (manchmal auch) anders ist. Vielleicht war Orwells Roman doch keine Utopie, sondern vorausgesehene Wirklichkeit …?

 

Zu dem Auskunft gebenden Polizisten ist zu sagen, dass er sich mit dieser Argumentation, die ihm offensichtlich von seinem Dienstherren aufgezwungen wurde, nicht wirklich identifizieren konnte. Zugeben wollte er das allerdings auch nicht.

 

Was soll man tun? Meines Erachtens gibt es für die eigentlich fahrradtauglichen Entfernungen in der (der Topographie nach fahrradfreundlichen) Stadt Braunschweig nur eine Lösung, die diese Stadt verdient hat: Man kauft sich eine röhrende und stinkende Zweitaktmöhre mit 50 Kubik. Die wird, wenn man sich in den Bereichen üblicher Fahrradgeschwindigkeiten aufhält, quasi nie kontrolliert, Probleme mit dem TÜV hat man auch nicht und abgesehen davon, dass Braunschweig vermutlich als vorletzte Stadt in Deutschland eine Umweltzone einrichtet, ist man auch dann noch davon ausgenommen.

 

Malte Rothhämel

(mit einem Erfahrungsbericht aus seiner Zeit in Braunschweig)